Fahrermangel: Kaum spürbar, aber weiterhin ein strukturelles Problem

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Der europäische Markt für Fahrzeugtransporte steht erneut an einem Wendepunkt. Die vergangenen Jahre waren von erheblichen Verwerfungen geprägt: Sowohl die Corona-Pandemie als auch geopolitische Spannungen haben die Handelsströme der Automobilindustrie nachhaltig verändert. Die zentrale Frage für Transportunternehmen und Verlader lautet daher, ob der strukturelle Fahrermangel endlich abnimmt. Auf den ersten Blick wirkt die Lage hoffnungsvoll, doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich ein anderes Bild. Zwar waren die Folgen des Mangels zuletzt weniger ausgeprägt, doch lag dies nicht an einem größeren Fahrerangebot, sondern vor allem an rückläufigen Volumina in der Fertigfahrzeuglogistik (FVL).

Im Folgenden wird beleuchtet, wie gravierend der Mangel tatsächlich ist, welche Ursachen ihm zugrunde liegen und welche Maßnahmen derzeit ergriffen werden, um gegenzusteuern. Abschließend folgt ein Ausblick: Was ist in den kommenden Jahren zu erwarten – und was bedeutet dies für Transportunternehmen und Verlader?

Warum die Auswirkungen des Fahrermangels derzeit weniger sichtbar sind

Der Sektor des Fahrzeugtransports war in den vergangenen Jahren mit einem beispiellosen Rückgang der Volumina konfrontiert. Die Fertigfahrzeuglogistik, die 33,8 Prozent des europäischen Automobillogistikmarktes ausmacht, verzeichnete gegenüber der Zeit vor der Pandemie ein Minus von 3,2 Millionen Fahrzeugen – eine strukturelle Verschiebung der Nachfrage. Die Ursachen sind vielfältig und eng mit geopolitischen und makroökonomischen Entwicklungen verknüpft.

Vorübergehender Rückgang der Volumina

Der deutliche Rückgang der Volumina hat die Nachfrage nach Fahrern temporär gedämpft. Unternehmen, die sonst unter akutem Personalmangel leiden, konnten ihre Planung etwas leichter gestalten als in den Spitzenjahren. An den strukturellen Ursachen hat sich jedoch nichts geändert – sie traten lediglich wegen des geringeren Drucks auf die Lieferketten weniger deutlich zutage.

Der LKW-Fahrermangel bleibt ein erhebliches Risiko, sobald die Volumina wieder steigen

Mit dem erwarteten Wachstum der europäischen Automobillogistik zwischen 2025 und 2035 wird der Fahrermangel erneut zu einem Engpass. Zwar verteilt sich das Wachstum auf verschiedene Verkehrsträger, doch bleibt die Straße unverzichtbar. Prognostiziert wird ein durchschnittliches Jahreswachstum von

  • 1,7 Prozent im Straßentransport,
  • 7 Prozent im Schienengüterverkehr,
  • nahezu 5 Prozent in der Seefracht sowie
  • rund 2 Prozent im Luftverkehr (vor allem Ersatzteile).

Das stärkere Wachstum der Schiene entspricht der EU-Strategie für nachhaltige Logistik. Gleichwohl eignet sie sich überwiegend für Langstrecken und Massengüter. Die Feinverteilung und nahezu der gesamte Inlandstransport bleiben straßenbasiert – der langfristige Bedarf an Fahrern bleibt damit hoch.

Für rund 70 Prozent der europäischen Autotransporteure stellt der Fahrermangel das größte Wachstumshemmnis dar – selbst in Jahren mit geringeren Transportvolumina. Viele Unternehmen würden in neue Lkw, zusätzliche Kapazitäten oder neue Relationen investieren, finden jedoch keine Fahrer für ihre Flotten. Damit wird der Mangel zu einem strukturellen Hindernis für die Skalierbarkeit der gesamten automobilen Lieferkette.

Wie groß ist der Fahrermangel? Die Zahlen

Der Mangel an Berufskraftfahrern ist ein wiederkehrendes Thema der europäischen Mobilität – sein tatsächliches Ausmaß wird jedoch erst deutlich, wenn man aktuelle Studien und die Lage in einzelnen Ländern betrachtet.

Hoher Abgang, geringer Nachwuchs

In der EU arbeiten rund sechs Millionen Berufskraftfahrer. Mehr als 30 Prozent sind über 55 Jahre alt, nur sieben Prozent jünger als 25. Fast ein Drittel wird somit innerhalb eines Jahrzehnts in den Ruhestand gehen, während der Nachwuchs kaum zunimmt. Nach Schätzungen der IRU gibt es derzeit mehr als 400.000 unbesetzte Stellen im Güterverkehr – bis 2030 könnte die Zahl ohne Gegenmaßnahmen auf über zwei Millionen steigen.

Fahrermangel in den wichtigsten europäischen Ländern

Die Niederlande zählen strukturell 10.000 bis 12.000 offene Stellen, bei gleichzeitig sinkendem Nettozuwachs. Deutschland weist mit 60.000 bis 80.000 fehlenden Fahrern und einer rapide alternden Belegschaft einen der größten Engpässe Europas auf. In Frankreich bleiben rund 50.000 Stellen unbesetzt; auch dort steigt das Durchschnittsalter stetig. Belgien und Dänemark kämpfen mit zunehmenden Engpässen, die sich sowohl auf die nationale als auch auf die internationale Logistik auswirken.

Selbst traditionelle Fahrernationen wie Polen und Rumänien verzeichnen mittlerweile Engpässe von über 100.000 beziehungsweise 40.000 bis 70.000 Fahrern – der europäische Ausgleichspuffer schrumpft damit dramatisch.

Die Ursachen: Demografie, Zugangsbarrieren und Arbeitsbedingungen

Überalterung und geringer Nachwuchs


Die Altersstruktur der Fahrer ist unausgewogen. In Deutschland etwa sind 39 Prozent der Lkw-Fahrer über 55 Jahre alt. Erfahrene Kräfte der Babyboom-Generation gehen in den Ruhestand, während der Nachwuchs ausbleibt. Jährlich verlassen Tausende Fahrer die Branche, während der Zustrom nicht einmal die Hälfte davon ausmacht. Die „School-to-Wheel-Lücke“ – das Mindestalter von teils 21 Jahren für den Beruf – verschärft die Situation zusätzlich.

Ausbildungsbarrieren und Bürokratie


Der Erwerb eines Lkw-Führerscheins und der erforderlichen Qualifikationen ist kostspielig und zeitaufwendig. Die hohen Ausbildungskosten schrecken viele junge Menschen ab, zumal finanzielle Unterstützung oft fehlt. Hinzu kommen administrative Hürden und komplexe Vorschriften, die potenzielle Bewerber zusätzlich entmutigen.

Arbeits- und Lebensbedingungen von Fahrern


Der Beruf ist anspruchsvoll: lange Arbeitszeiten, häufige Übernachtungen außerhalb des eigenen Zuhauses, enge Zeitfenster und körperliche Belastungen. Hinzu kommt zunehmender Regulierungsdruck durch strengere Umwelt-, Sicherheits- und Sozialvorschriften. Diese sind notwendig, erhöhen jedoch die Komplexität der Arbeit.

Besonders gravierend ist der Mangel an sicheren Parkplätzen. Europaweit fehlen schätzungsweise 100.000 geeignete Lkw-Stellplätze; nur rund zehn Prozent der vorhandenen Plätze erfüllen angemessene Sicherheits- und Komfortstandards. 91 Prozent der Fahrer geben dies als eines ihrer größten Probleme an.

Auch an vielen Be- und Entladestellen herrschen unzureichende Bedingungen: lange Wartezeiten, fehlende Sanitäranlagen, kein Warteraum und vielfach mangelnder Respekt. All dies belastet die Attraktivität des Berufs erheblich.

Vergütung und Konkurrenz durch andere Branchen


Zwar liegen die Löhne vieler Fahrer zwischen 30 und 135 Prozent über dem Mindestlohn, dennoch konkurriert der Sektor zunehmend mit Baugewerbe, Technik und Handel – Branchen, die oft planbarere Arbeitszeiten oder attraktivere Rahmenbedingungen bieten. Gleichzeitig erhöhen steigende Löhne den Druck auf kleine Transportunternehmen, die 89 Prozent des Marktes ausmachen und bereits mit niedrigen Margen arbeiten.

Negatives Berufsimage


Das Image des Berufs leidet unter hartnäckigen Stereotypen: lange Abwesenheit, monotone Arbeit, geringe Aufstiegschancen. Moderne Lkw-Technologie und die hohe Professionalität des Berufsbilds sind hingegen wenig sichtbar. Der Frauenanteil liegt europaweit bei nur vier Prozent; auch die Altersgruppe unter 25 ist mit sechs bis sieben Prozent unterrepräsentiert.

Strukturelle Abhängigkeiten und internationaler Wettbewerb


Westeuropäische Länder haben in den vergangenen Jahrzehnten stark auf Fahrer aus Mittel- und Osteuropa gesetzt. Doch inzwischen kämpfen auch diese Länder mit erheblichen Engpässen und steigenden Löhnen. Das EU-Mobilitätspaket verschärft die Lage zusätzlich: strengere Kabotage-Regeln, Rückkehrpflichten und Entsendevorschriften erhöhen den organisatorischen Aufwand und verteuern Transporte.

Der Krieg in der Ukraine hat die Situation weiter verändert: Zunächst kamen viele ukrainische Fahrer in die EU, später kehrten zahlreiche zurück oder wurden eingezogen. Gleichzeitig führten erleichterte EU-Regeln für ukrainische Transportunternehmen zu Spannungen in Polen, wo Wettbewerbsnachteile beklagt werden.

In Summe entsteht ein perfekter Sturm: Überalterung, Nachwuchsmangel, hohe Zugangshürden, belastende Arbeitsbedingungen und tiefgreifende Marktveränderungen.

Trotzdem ist die Zufriedenheit unter aktiven Fahrern hoch: 81 Prozent äußern sich zufrieden, 57 Prozent sogar sehr zufrieden. Es gibt also eine stabile Basis aus Fachkompetenz und Berufsstolz – doch sie allein wird den Mangel nicht beheben.

Ausblick für die kommenden Jahre

In den nächsten zehn Jahren dürfte die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage zunächst größer werden, bevor sie sich langfristig wieder schließt. Die Nachfrage nach Transportleistungen wird weiter steigen, selbst bei einem moderaten Wachstum von 1,7 Prozent jährlich im Straßentransport. Mit der erwarteten Stabilisierung des Automobilmarktes bis 2030 nimmt der Druck auf die Kapazitäten wieder zu.

Wesentliche Erwartungen:

  • Eine Steigerung des Nachwuchses gelingt nur, wenn Ausbildungskosten sinken und der Zugang erleichtert wird.
  • Der Schienentransport wächst überdurchschnittlich, kann den Bedarf an Straßentransporten aber nicht ersetzen.
  • Digitale Plattformen wie TransConnect werden das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage effizienter gestalten.
  • Staatliche Stellen werden verstärkt in sichere Parkplätze und Qualifizierungsprogramme investieren.
  • Die Bedeutung ausländischer Fahrer wird weiter zunehmen.
  • Die Knappheit wird zu weiter steigenden Transportpreisen führen.

Fazit

Der Fahrermangel in Europa ist kein vorübergehendes Phänomen, sondern eine strukturelle Herausforderung. Dass die Auswirkungen zuletzt weniger spürbar waren, liegt vor allem an den gesunkenen Volumina in der Fertigfahrzeuglogistik. Mit einer Erholung des Marktes wird der Druck sofort wieder zunehmen.

Während der Transport auf der Schiene schneller wächst, bleibt die Straße das Rückgrat der europäischen Fahrzeuglogistik. Der Fahrermangel bleibt daher eine der größten Bedrohungen für die Skalierbarkeit der automobilen Lieferkette.

Ein nachhaltiger Ausweg erfordert eine Kombination aus besseren Arbeitsbedingungen, niedrigeren Einstiegshürden, größerer gesellschaftlicher Wertschätzung, Digitalisierung, effizienterer Kapazitätsnutzung und internationaler Zusammenarbeit. Plattformen wie TransConnect leisten hierzu einen wachsenden Beitrag – durch besseres Spotfilling, höhere Effizienz und mehr Zugang für neue Fahrer.

Mit den richtigen politischen und wirtschaftlichen Anstrengungen lässt sich der Mangel stabilisieren und langfristig reduzieren. Doch dies verlangt eine klare Vision, gemeinsame Verantwortung und kontinuierliche Innovation.

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